Förderverein der Archenhold-Sternwarte
und des Zeiss-Großplanetariums Berlin e.V.

Sven Andersson

Astrometrie von Kleinplaneten

(Asteroiden / Kleinkörper des Sonnensystems)

Nach einem Beschluss der internationalen astronomischen Union (IAU) im August des Jahres 2006 werden diese Objekte offiziell als Kleinkörper des Sonnensystems bezeichnet. In der Umgangssprache der Astronomen wird aber weiterhin von Kleinplaneten gesprochen, und deshalb wird auch hier diese Bezeichnung beibehalten. In der Praxis ermöglicht diese Vorgehensweise eine Unterscheidung zu den Kometen, die ebenfalls zu den Kleinkörpern des Sonnensystem zählen. Ein anderer, aber weniger gebräuchlicher, Begriff für Kleinplaneten ist "Asteroiden".

Was sind Kleinplaneten?

Die Kleinplaneten bewegen sich, genau wie die großen Planeten, auf einer Umlaufbahn um die Sonne. Dies hat zur Folge, dass sie vor dem Hintergrund der Fixsterne eine scheinbare Bewegung ausführen. Im Gegensatz zu den großen Planeten haben sie jedoch nicht so viel Masse, dass sie sich zu einer Kugel bzw. einem Ellipsoid formen konnten. Die Kleinplaneten sind daher alle unregelmäßig geformte Gesteinsbrocken. Ein weiterer Unterschied zu den großen Planeten ist, dass sie auf ihrer Bahn nicht das dominierende Objekt sind.

Die Verteilung der Kleinplaneten im Sonnensystem
Abb. 2: Die Verteilung der Kleinplaneten im Sonnensystem

Zwischen der Bahn des Mars und des Jupiters befinden sich tausende Objekte von einigen Metern bis einigen hundert Kilometern Durchmesser. Man spricht hier auch vom Asteroidengürtel oder Hauptgürtel. Diese Gesteinsbrocken konnten sich in der Entstehungsphase unseres Sonnensystems nicht zu einem großen Planeten zusammenballen, das sie durch die vergleichbar riesige Masse des Jupiter immer wieder auseinander gerissen wurden, sobald sie in dessen "Nähe" kamen. Die meisten der zur Zeit (Stand April 2008) bekannten Kleinplaneten, bewegen sich auf dem Asteroidenhauptgürtel, der sich zwischen Mars- und Jupiterbahn befindet. Es ist daher nicht überraschend, dass sie zu der Gruppe der Hauptgürtelasteroiden zusammengefasst werden. Neben den Hauptgürtelasteroiden gibt es noch einige andere Gruppen von Asteroiden. Am bekanntesten sind die Trojaner-, Apollo-, Amor- und Aten- Asteroiden. Die Trojaner bewegen sich auf den sogenannten Lagrangepunkten des Jupiters auf dessen Bahn entlang. Die Lagrangepunkte befinden sich 60° vor und hinter dem Jupiter. Die Apollo-, Amor- und Aten-Asteroiden kommen teilweise der Erde recht nahe, weshalb sie aufmerksam beobachtet werden. Wie bereites erwähnt gehören sowohl die Kleinplaneten als auch die Kometen zu den Kleinkörpern des Sonnensystems. Im Gegensatz zu den Kleinplaneten, die sich aus Gesteinsmaterial zusammensetzen, sind die Kometen Brocken aus Eis und Schnee von wenigen Kilometern Durchmesser.

Warum muss die Position bestimmt werden?

Jeder Messwert, der eine Position eines Kleinplaneten zu einem bestimmten Zeitpunkt beschreibt, trägt dazu bei die Bahn dieses Kleinplaneten genauer zu bestimmen. Bei Kleinplaneten, die schon längere Zeit bekannt sind und für die bereits über einen Zeitraum von mehreren Jahren sehr viele Positionen bestimmt wurden, ist die Bahn natürlich sehr genau bekannt Anders sieht es jedoch bei Kleinplaneten aus, die erst vor kurzem entdeckt wurden. Hier sind nur wenige Positionsbestimmungen über einen relativ kurzen Zeitraum durchgeführt worden. In diesem Falle kann eine kleine Ungenauigkeit bei einem Messwert zu einem sehr großen Fehler in der vorausberechneten Bahn des Kleinplaneten führen. Im Extremfall kann es sogar passieren dass die wirkliche Bahn des Kleinplaneten so weit von der berechneten Bahn abweicht, dass es praktisch unmöglich ist den Kleinplaneten am Nachthimmel wiederzufinden. Bei der großen Zahl der bekannten Kleinplaneten ist die systematischen Beobachtung mit einem entsprechend großen Aufwand verbunden und die Berufsastronomen sind hier trotz der großen automatisch arbeitenden Teleskope nicht in der Lage diese Aufgabe zu bewältigen. Deshalb nehmen sie gerne die Hilfe der Amateurastronomen in Anspruch, die auf diesem Gebiet erstaunliches leisten. Gerade bei neu entdeckten Kleinplaneten geht es häufig darum sehr lichtschwache Objekte, deren Position zu einem bestimmten Zeitpunkt nur mit einer relativ großen Ungenauigkeit vorhergesagt werden kann, am Nachthimmel aufzufinden. Solche Beobachtungen fordern ein sehr hohes Maß an Ausdauer und Disziplin vom Beobachter.

Die Bahn von (4030) Archenhold
Abb. 3: Die Bahn von (4030) Archenhold

Aber auch wenn die Bahn eines Kleinplaneten durch jahrelange Beobachtung sehr genau bestimmt ist muss die Position des Kleinplaneten immer wieder bestimmt werden. Durch ihre, im Vergleich zu den großen Planeten, winzigen Massen werden die Kleinplaneten auf ihren Bahn immer wieder ein wenig abgelenkt, wenn sie in das Gravitationsfeld eines anderen Objektes kommen. Diese Störungen sind umso größer, je größer die Masse dieses Objektes, ist. Auch sehr kleine Störungen summieren sich auf und der Faktor Zeit spielt hier wichtige eine Rolle, denn je länger die Abweichung von der berechneten Bahn unbemerkt bleibt, desto größer wird die Abweichung zwischen berechneter Bahn und tatsächlicher Bahn. Neben der Wissenssammlung für die Menschheit, ist die Kenntnis der Bahnen aller Himmelskörper wichtig um eventuelle Kollisionen mit der Erde oder Raumflugkörpern rechtzeitig vorherzusagen.

Wie wird die Position bestimmt?

Vermessung von Fotoplatten am Messtisch
Abb. 4: Vermessung von Fotoplatten am Messtisch

Die Bestimmung der Position eines Himmelskörpers in einem Koordinatensystem nennt man in der Fachsprache der Astronomen Astrometrie. Zur Positionsbestimmung werden von dem Sternfeld, in dem sich der Asteroid befindet, mehrere Aufnahmen gemacht. Zwischen diesen Aufnahmen liegt jeweils ein Zeitraum von mehreren Minuten. Der Kleinplanet bewegt sich dabei von Aufnahme zu Aufnahme merklich durch das Sternfeld. Um diese Bewegung sichtbar zu machen wird der Himmelsausschnitt so gewählt, dass die Fixsterne auf jeder der Einzelaufnahmen an der gleichen Stelle sind. Wenn man nun die einzelnen Aufnahmen in rascher Abfolge abwechselnd betrachtet werden sieht man sehr deutlich die scheinbare Bewegung des Kleinplaneten gegenüber den Fixsternen. In der Fachsprache der Astronomen spricht man von "Blinken" (Mehr zu diesem Begriff weiter unten im Text). Anschließend wird die Position des Kleinplaneten bestimmt. Die Fixsterne ,die ebenfalls auf der Aufnahme sind, dienen hierbei als Bezugspunkte. Die ermittelten Koordinaten werden an das Minor Planet Center (MPC)9 übermittelt. Hier werden die Daten gesammelt und stehen über das Internet für weitergehende Auswertungen bzw. für Korrekturen der Bahnelemente des beobachteten Objekts zur Verfügung. Bis Anfang der 1990er Jahre wurden die Aufnahmen noch auf Fotoplatten gemacht, die anschließend, wie ein Kleinbildfilm, im Fotolabor nasschemisch entwickelt werden mussten. Nach der Entwicklung mussten die Objekte identifiziert werden die von einer Aufnahme zur nächsten ihre Position relativ zu den Fixsternen verändert hatten. Dazu benutzte man einen sogenannten Blinkkomparator. Hier wurden zwei Aufnahmen, die in einem Zeitlichen Abstand von einigen Minuten von ein und demselben Sternfeld gemacht wurden nebeneinander so auf einem Tisch positioniert, dass die Fixsterne an der gleichen Stelle waren. Nun wurden die beiden Aufnahmen in raschem Wechsel abwechselnd beleuchtet, daher stammt auch der Name "Blinken" für dieses Verfahren. Wenn man nun durch eine Optik sah, die beide Aufnahmen an der gleichen Stelle erscheinen ließ, konnte man sehen, wie die Kleinplaneten zwischen den Fixsternen hin und her sprangen. Anschließend mussten die Positionen der Kleinplaneten auf den Fotoplatten dann aufwändig an einem sogenannten Messtisch vermessen werden. In der Regel wurde jedes Objekt auf jeder der Fotoplatten mehrmals vermessen. Von den einzelnen Messwerten, die man für die Position des Objektes auf einer bestimmten Platte erhielt wurden dann der Mittelwert bestimmt, der dann das eigentliche Messergebnis war. Diese Ergebnisse wurden dann zu einem Protokoll zusammengefasst und per Brief an das Minor Planet Center (MPC)9 übermittelt. Das heutige MPC befand sich bis zum Ende des zweiten Weltkrieges im Astronomischen Rechenzentrum (ARI) in Berlin-Dahlem , wurde aber nach dem Krieg in die USA verlegt. Die Ergebnisse wurden damals einmal jährlich in Papierform veröffentlicht.

Selbstverständlich hat die moderne Technik auch vor der Astrometrie nicht halt gemacht. Die digitalen Kameras, die für die Aufnahmen genutzt werden arbeiten nach dem gleichen Prinzip wie "normale" Digitalkameras. Für die Positionsbestimmung von Kleinplaneten werden jedoch in der Regel Schwarz-Weiß-Kameras benutzt, da diese (licht)empfindlicher sind als Farbkameras. In diesem Fall kommt es nämlich nicht darauf an, dass die Aufnahmen schön aussehen, sondern dass das Signal-Rausch-Verhältnis so groß wie möglich ist. Das Signal-Rausch-Verhältnis ist ein Maß für die Qualität der Abbildung des Kleinplaneten auf einer bestimmten Aufnahme. Ein weiterer Vorteil der digitalen Aufnahmetechnik ist, dass man sofort nach der Belichtung sehen kann ob die Aufnahme auswertbar ist, oder ob eine Wiederholung der Aufnehme notwendig ist. Auch für die Auswertung gibt es selbstverständlich die entsprechende Software, die von der Bedienung her sehr komfortabel ist und mit der sich die Aufnahmen mit vergleichsweise geringem Aufwand auswerten lassen. Sehr verbreitet ist hier das von dem österreichischen Amateurastonomen Herbert Raab programmierte Astrometrica10.

Aufnahme des Kleinplaneten (4030) Archenhold
Abb. 5: Aufnahme des Kleinplaneten (4030) Archenhold

Auch bei der Auswertung digitaler Aufnahmen wird "geblinkt", der Begriff ist also aus der Zeit der analogen Technik übernommen worden. Hiebei übernimmt die Software das Positionieren der Aufnahmen, und es ist sogar möglich mehr als zwei Aufnahme zu blinken. Auch das Vermessen ist sehr viel einfacher geworden, denn die Software übernimmt hier den Hauptteil der Arbeit. Als Endergebnis erhält man eine Datei, deren Inhalt man dann in eine Email kopieren kann und elektronisch an das Minor Planet Center (MPC)9 in die USA schickt. Zwischen dem Einsenden und der Veröffentlichung der Ergebnisse im Internet liegen in der Regel höchstens einige Stunden. Die Ergebnisse können über das Internet abgerufen werden und die Daten können für eigene Berechnungen verwendet werden. Es ist sogar möglich sich eine Datei mit den aktuellen Bahnelementen der Kleinplaneten auf den privaten Computer zu laden und diese in eine elektronische Sternkarte einzubinden.