Förderverein der Archenhold-Sternwarte
und des Zeiss-Großplanetariums Berlin e.V.

Martina Haupt

Sternbedeckungen durch Kleinplaneten

Nach einem Beschluss der internationalen astronomischen Union (IAU) im August des Jahres 2006 werden die Kleinplaneten offiziell zu den Kleinkörpern des Sonnensystems gerechnet. Zu den Kleinkörpern gehören auch die Kometen und die noch kleineren Meteroiden. In der Umgangssprache der Astronomen wird meist von Kleinplaneten gesprochen, und deshalb wird auch hier diese Bezeichnung beibehalten. In der Öffentlichkeit sind diese auch als Asteroiden bekannt. Ausführlichere Informationen zu den Kleinplaneten sind auf der Seite Astrometrie von Kleinplaneten zu finden.

Auf ihrer scheinbaren Bahn am Himmel bedecken die Kleinplaneten des öfteren Sterne. Diese Bedeckungen lassen sich, wenn sie systematisch beobachtet werden, dazu nutzen mehr über die Kleinplaneten zu erfahren.

Da es sehr unwahrscheinlich ist zufällig Zeuge einer solchen Bedeckung zu werden, werden Sternbedeckungen vorausberechnet. Auch diese Formulierung gehört in die Umgangssprache der Astronomen, denn genau genommen werden nämlich die Zeit und der Ort, wo das Ereignis mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu beobachten ist, berechnet. Die Berechnungen haben aber immer eine gewisse Ungenauigkeit. Somit kann sich der berechnete der Bereich, in dem das Ereignis zu beobachten ist, etwas verschieben. Die Astronomen sprechen hier vom "Bedeckungspfad". Die Genauigkeit der Vorhersage wird hauptsächlich durch die beiden folgenden Faktoren beeinflusst:

  • Sternposition (Ungenauigkeiten von Sternkatalogen)
  • Bahnelemente des Kleinplaneten (Ungenauigkeiten bei der Bahnbestimmung)

Beim folgenden Bild würden alle Beobachter, welche sich im Bereich "A" befinden eine Sternbedeckung sehen, aber je nach Position innerhalb dieses Bereichs einen anderen Schnitt durch den Kleinplaneten. Es ist leicht zu nachzuvollziehen, dass möglichst viele Beobachter solch ein Ereignis beobachten sollten. Es gibt europaweit und international einen Zusammenschluss von professionellen Astronomen und Amateurastronomen, wodurch auch die Sammlung der Beobachtungsdaten5/3 und die Auswertung organisiert ist.

Prinzipskizze einer Sternbedeckung
Abb. 1: Entstehung einer Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten

Die erfolgreiche Beobachtung einer Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten liefert eine hochgenaue Position zum Zeitpunkt der Bedeckung und, bei mehreren Beobachtern, können der Durchmesser und ein Querschnitt durch den Kleinplaneten berechnet werden. Da Kleinplaneten in der Regel unregelmäßig geformt sind – vergleichbar einer Kartoffel – und darüber hinaus auch noch rotieren, ergeben sich für räumlich und damit auch zeitlich weiter auseinanderliegende Bedeckungsbeobachtungen andere Formen für die aus den Einzelergebnissen berechneten Querschnitte.

Es lässt sich unschwer erahnen, dass hinter einer erfolgreich beobachteten Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten sehr viel mehr steckt als man zunächst vermutet.

Wie bereits oben erwähnt werden die Bedeckungsereignisse vorausberechnet. Die Ergebnisse dieser Berechnungen liegen zunächst in Tabellenform vor. Die Tabelle enthält geografischen Koordinaten (Orte), die Zeiten und die Wahrscheinlichkeiten für eine erfolgreiche Beobachtung. Aus der Vielzahl der berechneten Bedeckungen müssen zunächst diejenigen aussortiert werden, bei denen eine Beobachtung überhaupt sinnvoll ist, denn es ist beispielsweise praktisch aussichtslos eine Bedeckung, die bei Tageslicht stattfindet zu beobachten. Da eine Graphik sehr viel anschaulicher ist als eine Tabelle werden die Daten in Karten übertragen, die den Bedeckungspfad auf der Erdoberfläche zeigen. Diese Karten und Tabellen werden dann über Internetseiten oder Mailinglisten bekannt gemacht.

Vorhersage der Sternbedeckung
Abb. 2: Vorausberechung der Sternbedeckung durch (476) Hedwig3

Damit haben jetzt sehr viele Beobachter Zugriff auf die Vorhersagen. Die Vorhersagen sind nämlich nicht nur für diejenigen, die sie berechnet haben interessant, denn sehr viele Ereignisse können sie gar nicht selbst beobachten, weil der Beobachtungsort zu weit entfernt ist. Genau dieser Ort kann aber für einen anderen Beobachter ohne großen Aufwand zu erreichen sein. Wenn der Beobachter nun in den Graphiken und Tabellen ein Ereignis gefunden hat, dass er gerne beobachten möchte, dann gibt es nur noch eine Grund doch nicht zu beobachten: Schlechtes Wetter.

Die eigentliche Beobachtung erfolgt nur noch in den seltensten Fällen visuell, also mit dem Auge. In der Regel wird das Ereignis mit Videotechnik aufgezeichnet, das dies die Auswertung erleichtert und genauer macht, denn die Aufnahme kann beliebig oft abgespielt werden. Da es Ziel der Beobachtung ist die genaue Zeit des Ereignisses festzuhalten wird ein genaues Zeitsignal in das Video eingeblendet. Die Zeit wird entweder aus dem DCF77-Signal, das auch von handelsüblichen Funkuhren empfangen wird, oder aus dem GPS-Signal genommen. Genauso wichtig wie der Zeitpunkt der Bedeckung ist natürlich der Ort. Dieser wird in der Regel mit Hilfe des GPS-Signals bestimmt.

Wenn die Beobachtung erfolgreich ist, sieht es für den Beobachter so aus als ob der bedeckte Stern für einige Sekunden "ausgeht". oder deutlich dunkler wird. Der Grund für diesen Eindruck, den der Beobachter hat ist, dass der Kleinplanet, der sich vor den Stern schiebt, in der Regel sehr viel dunkler ist als der Stern. Der Beobachter protokolliert am Ende den genauen Zeitpunkt des Beginns und des Endes der Bedeckung und natürlich den genauen Beobachtungsort sowie die Bezeichnung des Sterns und des Kleinplaneten.

Diese Ergebnisse behält der Beobachter natürlich nicht für sich, sonder er schickt sie wieder über das Internet an die Stellen, wo diese Daten gesam- melt werden. Hier stehen die Daten jedem, der Interesse daran hat zur Verfügung. Aus den einzelnen Ergebnissen kann nun zum Beispiel eine Querschnitt durch den Kleinplaneten berechnet werden. Da eine erfolgreich beobachtete Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten auch eine sehr genaue Positionsbestimmung ermöglicht ist es auch möglich die Bahn des kleinen Planeten genauer zu berechnen bzw. zu korrigieren Korrekturen der Bahn müssen zum Beispiel durchgeführt werden, da die kleinen Planeten, die nur eine kleine Masse haben leicht durch die Anziehungskraft anderer Himmelskörper abgelenkt werden. Die passiert zum Beispiel, wenn sie nahe an einem großen Planeten vorbeifliegen.

Die Bedeckung von HIP 103334 durch (476) Hedwig

Da er an der Archenhold-Sternwarte auch aktiv beobachtet hier nun ein Bericht von Sven Andersson über eine Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten, die er am 7. November 200 gemeinsam mit Martina Haupt am 500mm-Spiegelteleskop durchführte:

Eines Abends erreichte mich der Anruf von Martin, einem befreundeten Amateurastronomen aus der Arbeitsgemeinschaft der Archenhold-Sternwarte: Äm 7.11.2000 ist eine Kleinplanetenbedeckung. Die Bedeckungslinie geht genau über Berlin. Das ist was für's Photometer. Versuchs doch mal, wenn Wetter ist! Am Abend der Bedeckung war es zwar nicht übermäßig klar, aber eine erfolgreiche Beobachtung war durchaus drin. Zuhause auf der Couch wäre es zwar gemütlicher gewesen als draußen bei gerade mal 10°C und so hoher Luftfeuchte, so dass der Atem deutlich sichtbar kondensierte, aber was soll's ... Also auf zur Sternwarte! Dort angekommen zuerst mal die Kuppel auf, alle Deckel vom Teleskop entfernt und den Laptop mit der elektronischen Sternkarte hochgefahren, der einfache Teil wäre also geschafft. Jetzt kommt der weitaus schwierigere: Das Sternfeld finden! Das Problem beginnt damit, dass das Fernrohr nicht mit einem PC verbunden ist und somit keine Goto-Funktion hat. Das heißt also HIP103334 muss 'zu Fuß' aufgesucht werden. Mit Hilfe von Sternkarte und Teilkreisen ist man sehr schnell in der Nähe des gesuchten Objektes, nun kommt aber die Feinarbeit , was heißt dass der Stern mit Hilfe des Auges in die Mitte des Gesichtsfeldes gebracht werden muss. Das ist gar nicht so einfach. Aber zum Glück tauchte nun auch meine Mitbeobachterin Martina auf, die das Ereignis visuell, also ganz klassisch mit Auge am Okular und Stoppuhr, messen wollte. Wir suchten nun abwechselnd und irgendwann machte es dann "klick" Der Stern war gefunden. Inzwischen blieb auch nur noch eine halbe Stunde Zeit bis zum angekündigten Zeitpunkt. Also schnell das Photometer angeschlossen.

Photometer
Abb. 3: Das verwendete Photometer

Das war jetzt wieder eine einfache Aufgabe. Noch ein paar kurze Tests, die Integrationszeit (Belichtungszeit) noch mal schnell (im Kopf) nachgerechnet - jetzt bloß keinen Fehler machen - und noch mal kontrolliert ob HIP103334 noch anwesend ist. Martina hat inzwischen auch ihre Stoppuhr mit dem DCF77-Signal, oder umgangssprachlich dem Zeitzeichen, synchronisiert und macht eine letzte Teststoppung. Alles ist in bester Ordnung es kann also losgehen. Sowohl visuell als auch mit dem Photometer. Die Uhr zeigt 19:45 UT Martina starrt gebannt durch das Okular, ich starre auf den Monitor. Die durchlaufenden Zahlen geben erst mal keinen weiteren Hinweis auf eine Bedeckung. Aber das war auch nicht zu erwarten. Um 19:50 UT brechen wir die Beobachtung ab. Martina schimpft gleich: Zwei Sterne im Gesichtsfeld, aber so eine große Luftunruhe, dass diese abwechselnd auftauchten und verschwanden. Ein echtes Bedeckungsereignis war nicht von der Szintillation zu unterscheiden. Ich musste auf die Auswertung am Computer warten. Wir haben also erst mal in der Kuppel abgebaut um alles wieder in ordnungsgemäßen Zustand zu verlassen.

Dann haben wir auf einem anderen Rechner, auf dem sich eine Auswertesoftware befindet, noch schnell einen Blick auf die Photometerdaten geworfen. Die Kurve sah aber nicht wie erwartet aus, sondern eher wie ein Sägezahn. Den Fehler hatten wir aber in der Arbeitsgemeinschaft schon mal. Die Messwerte werden aufaddiert, bis der Speicher überläuft und von vorne zu zählen anfängt. Das sollte sich auf mathematischem Wege rückgängig zumachen sein. Aber nicht hier und heute. Wir verabschiedeten uns und gingen mehr oder weniger frustriert nach Hause. Peter, ein anderer befreundeter Amateur aus der Arbeitsgemeinschaft konnte mir wirklich weiterhelfen. Er schrieb - wer kann, der kann - ein kurzes Programm, das die Kurve wieder so aussehen ließ wie ich sie erwartet hatte. Und das Allerschönste daran war: Ich hatte tatsächlich eine Bedeckung beobachtet. Nach und nach kamen Meldungen von anderen visuellen Beobachter, die mehr Glück als Martina hatten, und die Bedeckung auch gesehen haben. Jetzt gab es wieder eine Menge zu tun. Da die Beobachter selbstverständlich alle ihre Koordinaten kannten war es möglich am heimischen PC ein einfaches Bild von 476(Hedwig) zu berechnen, dann mussten die Beobachtungen natürlich weitergemeldet werden und ein erster Vortrag wollte auch vorbereitet werden. Eins hat diese Bedeckung jedenfalls mit allen erfolgreichen Beobachtungen gemein: Man bekommt Lust auf Mehr. Aber eine erfolgreich beobachtete Kleinplanetenbedeckung ist fast so etwas wie ein Sechser im Lotto. Es muss soviel gleichzeitig zutreffen: Das Ereignis muss am Beobachtungsort mit großer Wahrscheinlichkeit zu beobachten sei, der Stern muss hell genug sein, der Helligkeitsunterschied zu Kleinplaneten muss hinreichend groß sein, das Wetter muss mitspielen...

Lichtkurve
Abb. 4: Die aufgzeichnete Lichtkurve

Welche Ergebnisse liefert solch eine Beobachtung? Durch die Beobachtung einer Asteroidenbedeckung lassen sich die Bahnelemente verbessern. (Bei Hedwig war es sicherlich nicht so entscheidend, bei anderen Asterioden durchaus!) Desweiteren läßt sich, durch Beobachtung von verschiedenen Orten aus, die Form des Asteroiden bestimmen. Der Durchmesser von Hedwig beträgt, nach unseren Beobachtungen 130 (+/-10) x 90 (+/-10) km. Diese Ellipse ist natürlich nur ein Modell! Man sieht deutlich, daß (476) Hedwig von der Ellipsenform abweicht!

Abb. 5: Die Form von (476) Hedwig

Gemeinsam ist es gelungen einen Himmelskörper ein klein wenig genauer zu erforschen. Wir haben als Amateurastronomen zum Erkenntnisgewinn der Wissenschaft beigetragen!